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33. Gott grüßt Manchen, der ihm nicht dankt.
Siehe, wenn dich früh die Sonne zu einem neuen kräftigen
Leben weckt, so bietet Gott dir guten Morgen. Wenn sich Abends
dein Auge zum erquicklichen Schlummer schließt, sagt Er: „Gute
Nacht!" Wenn du mit gesundem Appetit dich zur Mahlzeit setzest,
sagt Er: „Wohl bekomms!" Wenn du eine Gefahr noch zur
rechten Zeit entdeckst, so sagt Er: „Nimm dich in Acht und kehre
lieber um!" Wenn du am schönen Maitag im Blüthendnft und
Lerchengesang spazieren gehst, und es ist dir wohl, so sagt Er:
«Sei willkommen in meinem Schloßgarten!" Oder du lebst so
hin in den Tag, und es wird dir ans einmal wunderlich im Her-,
zen und naß in den Augen, und denkst: «Ich will doch anders
werden, als-ich bin," so sagt Er: „Merkst du, wer bei dir ist?"
Oder du gehst an einem offenen Grabe vorbei und es schaudert
dich, so sagt Er, ob du katholisch oder lutherisch bist: „Gelobt
sei Jesus Christ!"
Also grüßt Gott Mauchen; wer Ihm nur antworten und
danken wollte! —
34. Wessen Licht brennt länger.
, Mitten im Böhmerwald steht der hohe Arber, ein Markstein
zwischen dem deutschen Reiche und dem Laude der Böhmen. In
seinen Klüften und ans seinen Urwäldern rasten die Wolken, die
aus den südwestlichen Ebenen kommen, und speisen zum Dank da-
für seine Brunnen, und die klaren Quellen sammeln sich am Fuß
des Berges in cinöm kleinen See.
An dem See stand vor vielen, vielen Jahren eine Fisch er-
Hütte ans Holz und Stroh, und einen Steinwnrf davon ans
dem Hügel ein Schloß ans Granitqnadern und mit einem kup-
fernen Dach, das Waidhans genannt.' In der Hütte wohnte ein
Fischer mit seinem Knaben, und in das Schloß kam alle Jahre
im Herbst oder Winter, je nachdem es den Hirschen galt oder
Säuen, der Herr von Haldenstein ans die Jagd, nicht allein, son-
dern immer mit einem wilden Hansen von Jägern und Hunden,
Junkern und Edelfranen, die den Jagdspieß geschickter führten, als
die Nadel, und die Reitpeitsche lieber alö die Spindel.
Dann war eine böse Haushaltung in dem Schloß. Der
Kellermeister fluchte zwischen den Fässern, der Koch in der Küche,
der Wildmeister unter den Rüden, der Freiherr am Spieltisch,
wenn kein Jagdwetter war, und seine Frau unter den Kammer-
mägden. Ans dem Dache knarrten die Windfahnen, auf den
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feil, denn auf dem Herd in der Hätte lag nur noch ein Kohlen-
haufe, der unter seiner leichten Aschendecke ruhig fortglinunte.
Aber die heiligen Engel sind gehorsamer und nicht vorwitzig, wie
die Menschenkinder, llnd der auf der Bank des Fischers sprach
in seinem Herzen: „Weiß ich auch nicht, was ich hier schassen
oder hüten soll, so weiß es doch der Herr Herr, der mich hieher
gesandt hat."
Dieweil wurde es dem Beelzebub, dem obersten der bösen
Engel, draußen im Reiche immer schwüler und enger. Nahte er
sich einer Kirche, so spielte die Orgel, und die Leute darinnen sangen
dazu: „Ehre sei Gott in der Höhe, Friede ans Erden und den Men-
schen ein Wohlgefallen!" Schaute er durch das schwitzende Fen-
ster in eine helle Stube'hinein, so sah er weiter nichts als Krip-
pelein und goldene Engel und unschuldige Kindlein, welche vor
Freude darüber in die Hände schlugen und zu gleichen Füßen einen
Sprung nach dem andern machten. Steckte er seinen Kopf in
eine Wirthsstube so wars darin so öd und wüste, daß Käuzlein
und Uhu hätten einkehren mögen. Darüber ward er nach und
nach so unwirsch, daß er sich auf den Rücken des Nachtwindes
setzte und von demselben das Thal hinauf tragen ließ, um in den
unterirdischen Klüften des Arber seinen Ingrimm zu verbergen.
Nicht weit von der Fischerhütte stieg er ab und hinkte weiter. Als
er aber um einen Felsen bog, und das hell erleuchtete Waidhans
erblickte, da änderte er seinen melancholischen Borsatz, und sprach
bei sich: „Hier will ich bleiben, so wahr sie mich Belial heißen.
Alle Lichter, welche da droben angezündet sind, vom ersten bis
zum letzten, brennen für mich."
Wiederum trotzig geworden, wollte er auch au dein Eugel
vor der Fischerhütte nicht geradezu vorübergehen, sondern sagte
zu ihm: „Freund, welche Lichter werden heut länger brennen,
die deinen oder die meinen?"
Der Engel des Herrn erwiederte sanft: „Der Ewige weiß
es," und setzte nach diesem seine Hut wieder fort.
Im Waidhans mischte sich Belial ungesehen unter seine Leute,
wie der Geist, des Glühweins, der neben dem Saal ans dem
Schenktische in großmächtigen Näpfen dampfte und dann den Puls-
schlag in den Adern der Gäste beschleunigte, wie der Takt der
Musikanten auf dem Orchester. Die Tanzenden wirbelten im
Kreise umher, wie Blätter und Federn in der Windsbraut, die'
einer Gewitterwolke vorausläuft. Die Kerzen schneuzte dabei Sa-
tanas selbst mit unsichtbarer Hand. Denn seine Lichter sollten
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ja dreimal länger brennen, als die Lichter in der Hütte am See,
und von der Dienerschaft dachte Niemand daran. -
Was im Schlosse diente, versah sein Amt in der Schenke
oder gaffte durch die offenen Saalthüren auf die wirbelnden
Frauen und Herren. Nur der Wildmeister war ganz allein unten
im Keller, der fast durch das ganze Schloß, hinlief, und selbst
Satanas dachte nicht an ihn, weil man in so guter und großer Ge-
sellschaft einen einzelnen alten Freund.leicht vergißt.
Der alte Schlemmer hätte schon längst wissen mögen, was
für Weine in dem kleinen Seitengewölbe liegen, in welches man
ans dein Hauptkeller durch ein niederes Pförtlein gelangen konnte.
Eine bessere Gelegenheit, den geheimnißvollen Inhalt der unter-
irdischen Zelle zu erforschen, konnte es nicht geben, als diesen
Abend. Er zündete daher die Ampel der Äüchenmagd an, nahm
den Schlüsselbund des Kellermeisters und stieg in die Tiefe hinab.
Die Lampe brannte ihm zu trübe, deswegen füllte er ans eincin
ausgezupften Faß einen Becher voll Franzbrantwein, nahm ans
dem Korb des Kellermeisters eine Hand voll Werg, zündete es an
und warf es auf den Spiritus. Nun erleuchtete eine große blaue
Flamme das weite und hohe Gewölbe. Dann öffnete er die
Seitenzclle, wälzte eines von den zwanzig Fäßlein, die darinnen
auf einander lagen, heraus, bohrte ein Loch in den Boden steckte
eine Hollunderrhhre hinein, und legte dann die Tonne auf ein
Lager, um ihren Inhalt mit Muße zu kosten. Es war aber kein
Wein darin, sondern schwarzes körnigtes Pulver, das dnrch
die Röhre hcrauörann, wie Streusand ans einer umgeworfenen
Büchse. Denn in dem Gewölbe lag noch von dem dreißigjährigen
Kriege her ein Borrath von grobem Schießpulver, das man nicht
in die Jagdflinte brauchen konnte.
Staunend glotzte der Wildmeister das rinnende Pulver an.
Aber nicht lange. Bon der offenen Kellerthüre herab kam ein
Zugwind und führte von dem brennenden Werg ein Fünklein in
das auf dem Boden liegende Pulver.
In diesem Augenblicke sah der Engel vor der Hütkc am See,
wie [fid; chas kupferne Dach auf dem Schloß von einander that
und einer Rauchsäule Platz machte. Ein dumpfer, schwerer Knall
folgte darauf. Und nun wußte der himmlische Bote, daß er zum
Dienst um der frommen Leute willen ausgesandt worden war.
Denn er hatte vollauf zu thun, um die schweren fliegenden Trüm-
mer des Schlosses von der Hütte abzuwehren, und so das Leben
ihrer Bewohner zu erhalten. Ja, hätte er nicht seine Fittige aus-
gebreitet', wie eine Henne über ihre Küchlein, so würde der ge-
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Freuden aus dem Bade. Unglücklicherweise waren es die
Pantoffeln des Kadi. Als dieser sich nun gebadet hatte,
und seine Pantoffeln begehrte, so fanden seine Sclaven sie
nicht, wohl aber ein schlechtes Paar andere, die an eine
andere Stelle verschoben waren, und die man sogleich fyr
Kaseins Pantoffeln erkannte. Eilig lief der Thürhüter hinter
ihm her und führte ihn, als auf dem Diebstahl ertappt, zu-
rück zum Kadi. Dieser, über die,unverschämte Dreistigkeit
des alten Geizhalzes ergrimmt, horte seine Vertheidigung
gar nicht einmal an, sondern liess ihn sogleich in’s Ge-
füngniss werfen. Um nun nicht als Dieb mit öffentlicher
Schande bestraft zu werden, musste er nach orientalischer
Art reichlich zahlen. Hundert Pantoffeln hätte er für die
Summe kaufen können, die er erlegen musste.
Sobald er nach Hause gelangte, nahm er Rache an
den Urhebern seines Verlustes. Zornig warf er die Pan-
toffeln in den Tigris, der unter seinem Fenster vorbeifloss,
damit sic ihm nie mehr zu Gesichte kämen. Aber das
Schicksal wollte es anders. Wenige Tage nachher zogen
Fischer ihr Netz auf und fanden es ungewöhnlich schwer.
Sie glaubten schon einen Schatz an den Tag zu bringen,
statt dessen fanden sie aber die Pantoffeln Kaseins, die
noch dazu mit ihren Nägeln das Netz so zerrissen hatten,
dass sie lange daran flicken mussten. Voll Unwillen gegen
Kasein und seine Pantoffeln, warfen sie diese gerade in
seine offenen Fenster. Aber eben in diesem Zimmer stan-
den unglücklicherweise alle die Kristallflaschen, voll von dein
schönen Rosenwasser, das er gekauft hatte, und als nun
die schweren, mit Nägeln beschlagenen Pantoffeln auf die-
selben geworfen wurden, so wurde der Kristall zertrümmert,
und das herrliche Rosenwasser floss auf den Boden.
Man stelle sich Kasein vor, als er ins Zimmer trat,
und die Zerstörung erblickte. Verwünschte Pantoffeln!"
l ief er aus, „ihr sollt mir ferner keinen Schaden, mehr an-
richten 1" Sofort nahm er eine Schaufel und ging mit
ihnen m den Garten. Hastig grub er ein Loch, um seine
Pantoffeln darin zu begraben. Als er aber damit beschäf-
tigt war, sah einer seiner Nachbarn, mit dem er seit langer
Zeit in Feindschaft lebte, zum Fenster hinaus und bemerkte
das hastige Graben Kaseins. Unverzüglich lief er zum
Statthalter und meldete ihm insgeheim, dass Kasern in sei-
nem Garten einen grossen Schatz gefunden habe. Mehr
3 *
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— Was hilft es, bessere Zeiten zu wünschen und zu hoffen?
Aendert euch nur selbst, so werden sich die Zeiten auch ändern.
Fleiß hat nicht nöthig zu wünschen. Wer sich mit Hoffnungen
nährt, der läuft Gefahr, Hungers zu sterben. Ohne Mühe hat
man keinen Gewinn. Wer ein Gewerbe hat, der besitzt auch Ver-
mögen, und wer einen Beruf hat, der hat ein einträgliches Ehren-
amt. Wer arbeiten will, der findet immer Brod. Dem fleißigen
Mann schaut wohl der Hunger in das Haus, hinein aber wagt
er sich nicht. Die Arbeitsamkeit ist des Glückes Mutter und dem
Fleißigen schenkt Gott Alles. Arbeite heute, denn du kannst nicht
wissen, was dich morgen abhält. Ein Heute ist mehr werth, als
drei Morgen. 'Greife die Arbeit rüstig an; in Handschuhen fängt
die Katze keine Mäuse. Aber selbst Fleiß ist allein nicht hinrei-
chend; wir müssen auch beständig, nicht fahrlässig, noch störrig
sein; wir müssen selbst ein Auge auf unsere Arbeit haben und
uns nicht zu viel aus andere verlassen; denn ein Baum, der oft
versetzt wird, und eine Familie, die oft auszieht, gedeihen weniger,
als diejenigen, welche auf ihrem Platze bleiben. Dreimal aus-
ziehen ist soviel, als einmal abbrennen. Verlasse deine Werkstatt
nicht, so wird deine Werkstatt dich auch nicht verlassen. Willst
du deine Sache gut ausgerichtet haben, so gehe selbst. Wer durch
den Pflug reich werden will, der muß ihn selbst anfassen. Das
Auge des Herrn fördert mehr, als seine beiden Hände. Eine
kleine Vernachlässigung kann großes Unheil anrichten. Weil ein
Nagel fehlte, ging das Hufeisen verloren, aus Mangel des Huf-
eisens das Pferd und aus Mangel deö Pferdes der Reiter; der
Feind holte ihn ein und tödtete ihn, was nicht geschehen wäre,
wenn er den fehlenden Nagel am Hufeisen gesehen hätte.
Wer nicht eben so gut zu sparen als zu verdienen weiß, der
kann sich zu Tod^e arbeiten, ohne einen Pfennig zu hinterlassen.
Eine fette Küche macht ein mageres Testa,nent. Wie gewonnen,
so zerronnen, heißt es von manchem schönen Thaler. Seit die
Männer über den Spiel- und Trinkgesellschaften Axt und Ham-
mer, und seit die Weiber über den Kaffee- und Thecbesuchen den
Spinnrocken und das Strickzeug vergessen haben, ging manches
Vermögen fast in derselben Zeit verloren, wo cs erworben wurde,
Willst du reich werden, so lerne nicht allein erwerben, sondern
auch sparen. Schränkt euren thörichten Aufwand ein, so dürft
ihr nicht zu Hause klagen. Eine einzige Thorheit zu unterhalten,
kommt theurer zu stehen, als zwei Kinder aufzuziehen. Ihr glaubt
vielleicht, eine einzige Schale Thee oder Kaffee, ein Glas Wein
oder Bier, bisweilen ein leckerer Bissen, etwas feinere Kleider
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Ein Hund seines Nachbars ward die Pantoffeln gewahr. Er
sprang von dein Dache seines Herrn auf das Dach Kaseins
und spielte mit den Pantoffeln, indem er sie umherzerrte.
So hatte er den einen bis an den liand des Daches getra-
gen, und es bedurfte nur noch einer kleinen Berührung, da
fiel der schwere Pantoffel einer Frau, welche eben unterm
Hause vorbei ging und ein Kind trug, gerade auf den Kopf.
Sie fiel selbst nieder, und das Kind stürzte aus ihren Ar-
men auf die Steine. Ihr Mann brachte seine Klage vor den
Dichter, und Kasern musste härter biissen , als er je gebüsst
hatte, denn sein unvorsichtiger Pantoffel hatte beinahe zwei
Menschen erschlagen. Als ihm (liess Urtheil verkündigt
war, sprach Kasein mit einer Ernsthaftigkeit, die den Kadi
selbst zum Lachen brachte: „Dichter der, Gerechtigkeit,
alles will ich euch geben und leiden, wozu ihr mich ver-
dammt habt, nur erbitte ich mir auch den Schutz der Ge-
rechtigkeit, gegen die unversöhnlichen Feinde, welche die
Ursache alles meines Kummers und Unglücks bis auf diese
Stunde waren. Es sind diese armseligen Pantoffeln. Sie
haben mich in Armuth, in Schimpf, ja sogar in Lebensge-
fahr gebracht, und wer weiss, was sie noch im Schilde
führen! Sei gerecht, edler Kadi, und fasse einen Schluss
ab, dass alles Unglück, was ohne Zweifel noch diese Werk-
zeuge der bösen Geister anrichten werden, nicht mir, son-
dern ihnen zugerechnet werde."
Der Dichter konnte ihm seine Bitte nicht versagen,
er behielt die unglücklichen Störer der öffentlichen und
häuslichen Du he bei sich. Dein Alten aber gab er die
Lehre, dass die rechte Sparsamkeit nur in der richtigen
Anwendung des Geldes, nicht aber in dem Zusammenschar-
ren desselben bestehe.
40. Einmal!
„ Einmal ist Keinmal!" Dieö ist ein bedenkliches
Spriichwort. Die Berführnng macht's zur bösen Schlinge, um
die Herzen zu fangen und auf den Sündenweg zu ziehn. (5iiv
mal ist wenigstens Einmal, und daran läßt sich nichts abmarkten.
Wer einmal gestohlen hat, der kann fein Lebelang nimmer mit
Wahrheit und mit frohem Herzen sagen: „Gott Lob! ich habe
mich nie an fremdem Gute vergriffen." Und wenn der Dieb er-
hascht und gehenkt wird, alsdann ist „Einmal nicht Keinmal."
Das ist aber noch nicht Alles, sondern ntan kann meistens mit
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82. Der gekreuzte Dukaten.
«Wenn ich nur hunderttausend Gulden hätte!" hust du
vielleicht auch schon oft gedacht oder gesagt. Wenn du aus einem
Thalerlande bist, ist es dir nicht darauf angekommen, und hast
hunderttausend Thaler daraus gemacht, obgleich das ein Erkleck-
liches mehr ist. Ich nehme dir den Hunderttausend-Wunsch nicht
übel, es ist keine schlimme Sache um's Reichseiu; aber das Glück
macht es doch, nicht aus, davon kann ich eine besondere Geschichte
erzählen.
Ein junger Mann hatte seine Hunderttausend geerbt, und er
begnügte sich auch damit; er wollte bloß sein Geld verzehren, ar-
beiten aber wollte er nicht; das, meinte er, sei nur Etwas für
unbemittelte Leute. So hatte der Herr Adolph also gar kein Ge-
schäft, als essen, trinken, schlafen, spazieren gehen oder reiten und
was ihm sonst noch einfiel. Ja das Aus- und Anziehen war ihm
viel zu viel, und er hielt sich einen Kammerdiener'. Wenn er des
Margens erwachte, wußte er eigentlich nicht, warum er aufstehen
sollte; cs wartete kein Geschäft und keine Freude ans. ihn. Dar-
um blieb er auch liegen, bis ihm das zu beschwerlich wurde.
Fast ging es ihm, wie jenem Engländer, der ans Langeweile,
um sich nicht mehr aus- und anziehen^zu müssen, sich das Leben
nahm. Das Nichtsthun und die V. 'treibnng der Langeweile ist
ja eigentlich schon ein Selbstmord.
Herp Adolph machte dann jeden Vormittag seinen Spazier-
weg, damit er den Nachmittag für sich frei und Nichts mehr zu
thun habe. Meist lag er auf dem Kanapee, gähnte und rauchte.
Dabei hatte er mitunter noch seine besonderen Gedanken. «Jeder
Mensch," dachte er, «hat so eine Summe von Kraft mit auf die
Welt bekommen, die für seine siebenzig Iährlein oder auch mehr
ausreichen muß. Wenn ich also einen schweren Stuhl von einem
Ort an den andern hebe, ist damit ein Stück von meiner Lebens-
kraft aufgewendet oder verbraucht, drum lass ich's bleiben." Ans
solche Gedanken kann ein Nichtsthuer kommen.
Der Herr Adolph war aber dick und oft kränklich und mußte
seinen Leib pflegen. Das war auch noch ein Geschäft. —
Das Jahr durch ging ihm mancb schön Stück Geld durch
die Hand, und dabei hatte er die besondere Liebhaberei, daß er
bei jeder Goldmünze, die er ausgab, ein kleines, zierliches Kreuz
unter die Nase des geprägten Herrschers machte. «Ich will nur
einmal sehen," dachte er, «ob nach langer Umherwanderung
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macht die allmächtige Weisheit immer wieder zurecht, was Träg-
heit und Dummheit verdorben hat, und sendet der sündigen Mensch-
heit Erlösung.
43. Wo die Noth am größten,
da ist Gott am nächsten.
Das Handelshaus Gruit van Steen war im Anfange des
stebenzehnten Jahrhunderts eines der angesehensten und reichsten
in Hamburg. Aber der verheerende dreißigjährige Krieg machte
seine traurigen Folgen zuletzt auch ihm fühlbar und zwar um so
mehr, je ausgebreiteter die Geschäfte des Hauses früher gewesen
waren. Städte und Dörfer waren zu Hunderten verheert und
verlassen,, und bei der Unsicherheit der Straßen war es kein Wun-
der, daß. der Handel stockte und vorzüglich der Absatz in das In-
nere von Deutschland gering war. Ein Kaufmann nach dem an-
dern wurde unfähig, zu zahlen, und zog auch jenes Handelshaus
in seinen Verlust mit hinein. Dagegen wagte das große Seeschiff,
welches als sein Eigenthum an der Mündung der Elbe lag, des
Krieges wegen, nicht auöznlaufen, und die gangbarsten Waaren
mußten von den Holländern zu außerordentlich hohen Preisen ans
der zweiten Hand erkauft werden. Hermann Gruit, der Besitzer
der Handlung, saß mit dem alten Jansen, einem erfahrenen Die
ner des Hauses, nrn's Jahr 1938 in der Schreibstube und vcr
glich mit ihm die großen Bücher. „So thut cs nicht länger gut,"
sagte dieser endlich, „wir müssen cs anders anfangen. Ueberlaßt
mir auf ein Jahr das Schiff und so viel Geld und Nürnberger
Waaren, als möglich, und laßt mich damit selbst nach der neuen
Welt (Amerika) segeln. Ihr wisset, ich bin in jüngern Jahren
schon zweimal dort gewesen und verstehe das Geschäft; mit Gott
wird es mir gelingen."
Die beiden Männer berathschlagten mit einander über diesen
Einfall, und nachdem sie die mögliche Gefahr und den möglichen
Vortheil aus das beste erwogen hatten, kamen sie dahin überein,
daß Jansen reisen solle. Vier Wochen später schritt Herr van
Steen in seinem Rathshcrrngewande, den alten Buchhalter neben
sich, dem Hafen zu, wo eine große Menschenmenge der Abfahrt
des stattlichen Schisses harrte. Einige Handelsfreunde traten grü
ßend auf sie zu und äußerten bedenklich, sie wünschten, Herr Her-
mann möchte bei dieser Ausrüstung nicht zu viel gewagt haben.
Aber Jansen antwortete: „Lasset es euch nicht anfechten, ihr
Herren; ich hoffe fest, wir sehen uns gesund und freudig wieder,
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wurde unter Siegel gelegt^ und dem armen Gruit nebst seiner
Familie blieb nur das kleine Stübchen, wo sonst der Hausknecht
geschlafen, links am Haupteingange des Hauses. Die Versteige-
rung begann; sie geschah in dem geräumigen Schreibzimmer, jenem
Stübchen gegenüber; man konnte hier die laute Stimme des Aus-
rufers deutlich hören. Mit jedem Niederfallen deö Hammers fuhr
es dem Herrn Hermann wie ein Schwert durchs Herz. Er saß
tiefsinnig am Fenster und starrte das Schild seines Nachbars, des
Wirths zum Westindienfahrer, an. Die Frau saß in der Tiefe
der Stube mit rothgeweinten Augen. Die Knaben aber spielten
mit dem großen Hunde.. Da trat der Rathsdiener herein und
sagte mitleidig: .»Herr Senator, den Lehnsessel soll ich holen."
Herr Hermann seufzte und Thränen traten in seine Angen. In
diesem, mit grünem Sammet beschlagenen Lehnsessel war sein se-
liger Vater sanft entschlafen, und er war darum als ein Heilig-
thnm im Hanse gehalten. Doch er wurde nun herausgetragen,
und die ganze Familie folgte ihm nach, als könnte sie sich nicht
von ihm trennen. Der Versteigerer rief: „Ein noch guter Lehn-
sessel, mit Sammet beschlagen!" — und eine lange Panse folgte,
weil sich alle Blicke nach den jammernden Hausbewohnern wandten.
Endlich bot Jemand darauf mit vier Mark an und derauctiona-
tor ries mißmuthigj-: „Also vier Mark zum Ersten!"
In diesem Augenblicke rief eine starke Baßstimme zum offenen
Fenster hinein: „Vierhundert Mark zum Ersten!" Alles staunte;
der Hund drängte sich gewaltsam und freudig bellend vor das
Haus. Jetzt trat ein Miaun in Schiffertracht ins Zimmer und
rief nachdrücklich, indem er mit seinem spanischen Rohre ans den
Tisch schlug: „Vierhundert Mark zum andern, zum dritte» und
letzten Mal!"
„Gott, unser Jansen!" rief Herr Hermann — und fiel ihm
um den Hals. Der aber fuhr fort: „Ja, ich bin's, und unser
Schiff liegt voll Gold und Waaren im Hafen. Die Auction ist
jetzt ans! Fort jetzt, ihr Alle, morgen kommt auf's Rathhaus,
da soll Alles sammt den Interessen bezahlt werden; denn wissen
sollt ihr, unser Herr Gott lebt noch, und das Hans Hermann
Gruit van Steen steht noch! — Und nun erst seid freudig gegrüßt
in der Heimath, mein Herr Hermann und Frau Elisabeth , von
eurem alten Jansen!"
Psalm 37. 5. Befiehl dem Herrn deine Wege und hoff auf
ihn; er wird's wohl machen.
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Extrahierte Personennamen: Hermann Hermann Hermann_— Hans_Hermann
Gruit Hermann Elisabeth
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es war schlechterdings unmöglich, ihm zu entkommen. Mechanisch
legte ich mich platt in dem Schlitten nieder und ließ mein Pferd
zu unserm beiderseitigen Besten ganz allein machen. Was ich
zwar vermuthete, aber kaum zu hoffen und zu erwarten wagte,
das geschah gleich nachher. Der Wolf bekümmerte sich nicht im min-
desten um meine Wenigkeit, sondern sprang über mich hinweg,
fiel wüthend auf das Pferd, riß ab und verschlang auf einmal
einen großen Theil des armen Thieres, welches vor Schrecken
und Schmerz nur desto schneller lief. Wie ich nun auf die Art
selbst so unbemerkt und gut davongekommen war, so erhob ich
ganz verstohlen mein Gesicht und nahm mit Entsetzen wahr, daß
der Wolf sich beinahe über und über in das Pferd hineingefressen
hatte. Kaum aber hatte er sich so hübsch hinein gezwängt, so
nahm ich meine Zeit wahr und fiel ihm tüchtig mit meiner Peitsche
auf das Fell. Solch ein unerwarteter Ueberfall in diesem Futte-
ral verursachte ihm keinen geringen Schreck; er strebte mit aller
Macht vorwärts; der Leichnam des Pferdes siel zu Boden, und
siehe! an seiner Statt steckte mein Wolf in dem Geschirre. Ich
meines Orts hörte nun noch weniger auf zu peitschen, und wir
langten in vollem Galopp, gesund und wohlbehalten in St. Peters-
burg an, ganz gegen unsere beiderseitigen Erwartungen und zu
nicht geringem Erstaunen aller Zuschauer.
So. Das Schlaraffenland.
Das Königreich Schlaraffenland
Ist faulen Leuten wohl bekannt;
Der Eingang aber ist gar schwer;
Denn um die ganze Gegend her
Liegt ein Gebirg von Hirsebrei,
Breit wohl zwei Meilen oder drei. -
Wer einziehn will, muß sich vermessen,
Durch dies Gebirg sich durch zu essen.
Hat er dazu Kraft und Geschick,
So ist er drin im Augenblick.
Die Dächer sind von Znckerfladen,
Und Honigkuchen Thür und Laden,
Speckkuchen aber Diet' und Wände.
Um jedes Haus zieht man behende
Rings einen hohen, schönen Zaun
Bon Leberwürsten, sett und braun.
Voll Sekt sind alle Bäch und Flüsse,
Und wenn es schloßt, schloßt'« Pfeffernüsse.
Auf Tannen, Fichten, Birken, Eichen
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
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